Alle Texte auf diesen Seiten unterliegen dem Urheberrecht.
Der Verein THF 33-45 betreibt seit seinem Bestehen kontinuierliche Forschung zur Geschichte des Tempelhofer Feldes und und verbundenen Instituten und Industrieunternehmen in der NS-Zeit, deren Ergebnisse in Bildungsprojekte und in die Konzeption neuer Rundgänge und Vorträge sowie Seminare einfließen. Neben Recherchen in Archiven und Bibliotheken arbeitet der Verein THF33-45 auch mit Aussagen von Zeitzeugen. Diese Zeitzeugen sind zum einen überlebende NS-Zwangsarbeitende, als täterorientierte Forschende bemühen wir uns auch um Aussagen von „freien Ausländern“, also Menschen, die aus „neutralen“ oder „befreundeten faschistischen Staaten“ zum Arbeiten nach Berlin kamen. Wesentliche Quellen sind aber, so vorsichtig und kritisch sie reflektiert werden müssen, die Aussagen der Haupttäter: Hermann Göring als Chiffre für die NS-Luftwaffe, deren Generalstab hier einen Verwaltungssitz innehatte und mehrere Dienststellen betrieb. Joseph Goebbels und dessen Tagebücher sind hier ebenso zu nennen wie die Nachlässe der Forschenden die für die NS-Luftwaffe tätig waren. Thematische Schwerpunkte in der Forschung sind unter anderem die Geschichte der NS-Luftwaffe als Forschungsorganisator, als Organisator der Luftrüstung, des Fluges und der Funktechnik, die Entstehung der Mensch-Maschine-Systeme und der Automatik. Ein besonders großer Stellenwert kommt der Geschichte der Militärmedizin zu, die Sanitätsinspektion der Luftwaffe hatte ihren Dienstsitz im Flughafen Tempelhof. Weiterer wichtiger Schwerpunkt ist das KZ Columbia. Hier arbeiten wir aus Täterperspektiven, um die enge Verflechtung und die Zusammenarbeit zwischen der politischen Polizei (Geheime Staaspolizei-Gestapo), den Dienststellen der Innenverwaltung wie dem Gesundheitsamt und der Fürsorge, dem Hauptamt für Volkswohlfahrt der NSDAP und dem Reichsjustizministerium darzulegen. Ein Schwerpunkt liegt in der Einrichtung der „Gefängnis Columbiahaus“ als Machtinstrument von Hermann Göring in dessen Machtkampf mit Ernst Röhm.
Vom Militärgefängnis zum KZ Columbia
Das Militärgefängnis auf dem Tempelhofer Feld wurde vermutlich im April, spätestens Mai 1933 zunächst als Ausweichort für den frühen Haftort in der Doppelkaserne an der Friesenstraße genutzt. Ab Mai 1933 wurde aus dem leerstehenden Gefängnis eine „Leitstelle“ der Staatspolizei. Hermann Göring als preußischer Innenminister und künftiger preußischer Ministerpräsident hatte die „Sturmabteilung“ (S.A.) die paramilitärische Gruppe Stahlhelm und die „Schutzstaffel“ (S.S.) zu Hilfspolizisten ernannt, die nach dem Brand des Reichstagsgebäude die politische Polizei unterstützte. Nach dem diese „Hilfe“ beendet war, „bat“ die mittlerweile zur „Geheimen Staatspolizei“ avancierte Politische Polizei die S.S. um „Unterstützung“ in ihrer „Leitstelle“. Damit entstand zum einen das Gestapo-Gefängnis und zum anderen die Doppelfunktion des „Columbia-Haus“ und späteren KZ Columbia. Hermann Göring schuf damit eine Machtbasis im Kampf gegen seinen Rivalen Ernst Röhm und begründete zugleich die enge Zusammenarbeit zwischen Luftwaffe und SS.
Das KZ Columbia war als Gestapo-Gefängnis zunächst ein Haftort der politischen Opposition während des „frühen Terrors“. Wegen seiner Doppelfunktion als Haftort und Gestapo-Gefängnis wurde das „Columbia-Haus“ im Sommer 1934 in ein KZ der SS umgewandelt. Die Doppelfunktion blieb erhalten. Mit Gründung der Inspektion der KZ wurde das KZ Columbia dieser Inspektion unterstellt. Ab November 1934 begannen die Verhaftungen von Männern und Jungen wegen „homosexueller Betätigung“. Mit diesem Haftgrund wurden Pfadfinder und bündische Jugendliche ebenso eingeliefert wie Hitler-Jungen, die männliche Jugendorganisation der NSDAP. Katholische Laienbrüder, Geistliche und Zeugen Jehova waren unter den Häftlingen, sie wurden zusätzlich mit speziell entwickelten Paragraphen wie „Heimtücke“ verurteilt. „Hochverrat“ war ebenfalls ein Haftgrund. Ab 1935 wurden auch sogn. „Sexarbeiter“ eingewiesen, unter ihnen entlaufene Heimkinder, erwerbslose Arbeiterjungen und Waisenkinder. Die nach „175“ als „homosexueller Betätigung“ eingelieferten Männer und Jungen bildeten zum Ende die größte Gruppe im KZ Columbia. Zusätzlich wurden Gewerkschafter Albin Karl, Hans Böckler, Juristen wie Hans Litten, Sozialdemokraten wie Ernst Heilmann und Kommunisten wie John Schehr festgehalten. Auch im KZ Columbia wurden ab 1935 Häftlinge dauerhaft verwahrt. 1936 wurde das KZ geschlossen, bis 1938 von Baukommandos, in denen Zeugen Jehova eingesetzt waren, abgerissen. An seiner Stelle entstand der „Neue Hafen“, der Flughafen Tempelhof. Vom KZ wurde ein Kellerrest gefunden.
Alter Hafen Tempelhof
Von 1926 bis zur Abtragung zu Beginn der 50er Jahre war der Zentralflughafen Tempelhof einer der ältesten und größten Verkehrs- und Militärflughäfen Europas. Auch wenn sein Gründer und „Vater“ Leonhard Adler, AEG Ingenieur und Verkehrsmagistrat Berlins, Vorstand der Berliner Flughafengesellschaft, ihn als „schönsten und größten Zivilflughafen“ bezeichnete, wurde er – wie fast alle Flughäfen nach 1920- als Platzhalter für das Militär errichtet und diente auch Versuchsflügen. Der „Platzhalter“ war der Begriff der sogn. „Schwarzen Reichswehr“, in diesem Fall der verdeckten Luftwaffe. Innerhalb des Generalstabes gab es unterschiedliche Fraktionen, die jedoch nach der Machtergreifung der NSDAP in das Reichluftfahrtministerium übergeleitet und zusammengefasst wurden.
Ernst Brandenburg erhielt ganz neue Aufgaben, Leonard Adler musste dagegen wegen seiner einstigen jüdischen Religionszugehörigkeit fliehen. Er überlebte in einem katholischen Kloster in Libyen.
Ab 1939 wurde der „alte“ Flughafen auch Reparaturwerk der LuftHansa AG, die zusätzlich Hangars im Neuen Hafen hatte. Der Flugbetrieb wurde kurzfristig wegen der Baumaßnahmen in den neu angelegten Flughafen Rangsdorf verlegt, zog aber zurück. Die Stadt Berlin erzielte aus dem Flugbetrieb bis zum Kriegsende Einnahmen.
Neuer Hafen Tempelhof
Ab 1935 war die Entscheidung zum Neubau auf dem Tempelhofer Feld gefallen. Geplant als Verwaltungssitz, Verkehrs- und Schauflughafen war das Gebäude auch ein „Wehrflughafen“, das militärischen Anforderungen entsprach. Von den medizinischen Instituten der Luftwaffe zog nur eine Abteilung ein, doch diese ist ein Synonym für NS-Medizin einerseits und Spitzenforschung andererseits. Ihre Dienststellen und Außenstellen waren reichs- und europaweit gestreut.
Das gilt ebenso für das Wetteramt und das Technische Amt- beide Ämter waren eng mit Spitzenforschung einerseits und den Verbrechen des NS-Staates andererseits verbunden. Metereologie spielte für das Höhenflugzeug, das Bioklima, die Strahlung und somit für die Luftwaffe eine entscheiende Rolle. Das Technische Amt war der Organisator der Luftfahrtrüstung. Dieser Komplex – die Luftfahrtrüstung- war das größte industrielle Projekt im NS. Ihre später selbstständige Abteilung „Forschungsführung“ war der Organisator des größten Forschungskomplexes des NS-Staates: Die Luftfahrtfortschung. 1939 befahl Hermann Göring die Verlagerung kriegswichtiger Industrien in Flughäfen. Für Tempelhof war die WeserFlug vorgesehen.
Mit Beginn des Krieges wurde er wie auch der Alte Hafen zum Fliegerhorst ernannt und wurde zusätzlich Industriebetrieb. Zum Flughafen wurde der Ort erst nach 1945, als ihn die US-Army, die hier einzog, entsprechend fertigstellte.
Lagersysteme
Auf dem Feld befanden sich vier Lager- das Manfred-von-Richthofen-Lager, die Lilienthallager, das Lager an der Oberlandstraße und das Lager der WeserFlug GmbH. Diese Lager waren eingebunden in ein gewaltiges Geflecht weiterer Lager zunächst der Luftwaffe, dann in Übertrag vieler Lager für die materielle Rüstung, des Ministeriums Speer.
In den Lagern lebten zwangsverschleppte Menschen aus Europa, die meisten aus Polen, der Ukraine, Weißrussland und Russland. Weitere Menschen, die auf dem Feld leben mussten, waren französische und sowjetische Kriegsgefangene. Ihre Lebensbedingungen unterschieden sich ganz beträchtlich voneinander. Unter ihnen mussten „Dienstverpflichtete“ Menschen jüdischer Glaubenszugehörigkeit aus Berlin arbeiten. Fast alle wurden bis 1943 in die Vernichtungslager in den besetzten und annektierten Gebieten Europas oder in das KZ Sachsenhausen deportiert, um 1944 wurden Menschen jüdischer Glaubenszugehörigkeit aus Ungarn in die Ausbildungswerkstätten gebracht.
In den Werken im Flughafen arbeiteten auch Menschen aus „neutralen“ oder „befreundeten“ Staaten, so aus Kroatien oder Ungarn, Rumänien und Bulgarien.
Diese Lager erforschen wir unter dem Aspekt der Arbeit, der Leistungssteigerung, der unfreiwilligen Versuche für die Forschung und den Netzwerken der Forscher und der Luftwaffe.