Die Lagersysteme stellten für den NS zum einen die Verfügung über Hundertausende Menschen als faktisch kostenlose und rechtlose Arbeitskräfte sicher. Zum anderen fürchtete der NS-Staat auch die Möglichkeit von Aufständen, Streiks oder Sabotage. Entsprechend wurde die Arbeitsgruppen so zusammengestellt, dass stets Menschen zusammenarbeiten mussten, die tiefe Vorurteile oder sogar Hass gegeneinander empfanden. Mit dem nachfolgenden Text sollen keinesfalls die umfangreichen, von Deutschen in der Zeit  des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen in irgendeiner Weise relativiert werden- im NS wurden von Deutschen noch erheblich mehr Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt, als selbst in den Nürnberger Prozessen thematisiert wurden. Allein die Shoa war ein entsetzliches Verbrechen, das aus der Mitte der deutschen Gesellschaft heraus entstand und verübt wurde, der Vernichtungskrieg gegen die SU  ist viel zuwenig bekannt, der deutsche NS hat die Welt insgesamt in den Abgrund geführt. Hier soll lediglich einer Verharmlosung des italienischen Faschismus entgegen getreten werden.

Die Italienischen Militärinternierten

Die sogn. „Italienischen Militärinternierten“ sind ein Beispiel dafür. 1943 verhandelte der Marschall Pietro, Herzog von Addis Abeba und Graf von Badoglio nach dem für Italien katastrophalen Kriegsverlauf einen Waffenstillstand mit den Alliierten. Mussolini wurde abgesetzt, der Waffenstillstand unterschrieben, die italienische Armee, die im italienischen „Lebensraum“ in besetzten Königreich Jugoslawien stand, sich selbst überlassen. Die Befehle Pietro Badoglio waren eindeutig: Keine Gewalt gegen die ehemaligen Verbündeten, solange diese nicht eindeutig feindselig handelten und abwarten. Die italienische Armee löste sich praktisch über Nacht auf. Die verbliebenen Verbände wurden sehr rasch entwaffnet- von Ustaša-Verbänden, den serbischen Tschetnik-Verbänden, Partisanen der Armee Titos und den deutschen Verbänden. Die Schnelligkeit, mit der die Wehrmacht auf die Armee zugriff, lässt darauf schließen, dass sich die Wehrmacht bereits Monate vorher auf den Kriegsaustritt Italiens vorbereitet hatte. In Italien selbst war der Krieg nicht vorbei, im Norden begründete der von Deutschen befreite Mussolini mit massiver deutscher Unterstützung einen „Staat“, die Repubblica Sociale Italiana (RSI) im Norden der Halbinsel. Die von den Alliierten befreiten Gebiete standen dagegen unter Herrschaft der Regierung von Marschall Pietro Badoglio. Zu der antijüdischen Politik Italiens auch: CarloMoos , Der späte italienische Faschismus und die Juden. Hintergründe und Folgen einer rassenpolitischen Wende, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2008, <www.europa.clio-online.de/essay/id/artikel-3423>.

Der italienische Historiker Angelo Ventrone machte für das Chaos das Versagen der italienischen Führung verantwortlich: „…In drei Tagen wurde der organisierte Widerstand fast überall aufgelöst. Rom, um das Badoglio fünf Divisionen hatte aufstellen lassen ergab sich zwei deutschen Divisionen…“(Ventrone, La democrazia in Italia, S. 37f)

Mittlerweile ist es Konsens in der italienischen Geschichtswissenschaft, dass zwischen 1943 und 1945 in Italien ein Bürgerkrieg tobte, in dem beide Seiten mit äußerster Brutalität vorgingen, sowohl die italienischen Faschisten in ihrer Republik als auch die Partisanen. Der Krieg in Jugoslawien fand in seiner Radikalisierung seine Entsprechung zu Italien, obgleich in Jugoslawien noch weitere Gruppen hinzukamen: die Tschetniks, Titos Partisanen, die Ustaša, die faschistischen bosnischen Einheiten und die deutsche Wehrmacht. In Italien selbst konzentrierte sich der Bürgerkrieg auf seine politische Ausprägung. Die Politik Badoglios ging auf: Die Kommunisten wurden, wie von den USA gewünscht, an der Regierung beteiligt, sie waren jedoch nicht in der Lage, radikale Forderungen zu stellen, womit die britischen Wünsche nach einem Schutz vor „Bolschewisierung“ gewährleistet waren. Zugleich war Italien davor geschützt, sich sowohl mit Reparationen aus Jugoslawien für die Verbrechen der italienischen Armee in Jugoslawien zu befassen als auch den Forderungen Äthiopiens und Libyens für die italienischen Verbrechen in dieser Besatzung. Mit der Einigung der Kommunisten mit den Monarchisten auf Seiten der Alliierten war Italien „rehabilitiert“. Die italienische Linke, das Bündnis aus Kommunisten und Sozialisten hatte aber das Problem, das die Sowjetunion die Territorialforderungen Jugoslawiens, Sloweniens und anderer europäischer Staaten gegen Italien anerkannte und unterstützte. Das Hauptproblem bestand aber in der Auflösung des Kolonialreiches und der sowjetischen Forderung nach hohen Reparationen. Immerhin war das Königreich Italien in den Krieg gegen die Sowjetunion eingetreten und hatte erhebliche Verbrechen gegen die sowjetische Bevölkerung verübt. Äthiopien forderte sogar einen eigenen Kriegsverbrecherprozess gegen die Republik Italien wegen der Errichtung von italienischen Konzentrationslagern in Äthiopien, Zwangsverschleppung, Zwangsprostitution und den Massentötungen mit Giftgas 1935-37. Die vergleichbaren Ansprüche Libyens waren dabei nicht einmal verzeichnet. Auch in Libyen hatte das Königreich unter seinem Gouverneur Pietro Badoglio Konzentrationslager errichten lassen. Erst 1994 konnte die Republik Italien erstmals zugeben, dass es all diese Verbrechen gegeben hatte.

Verbrechen Italiens als Kolonialmacht und auf dem Balkan

Engelbert Dollfuß, austrofaschistischer Kanzler in Österreich 1932-1934, ab 1933 diktatorisch herrschend, war ein Verbündeter Italiens. Der Kanzler und Diktator 1933 galt nach dem Verbot der NSDAP in Österreich als Garant für die Ambitionen Mussolinis in Europa. Diese richteten sich seit 1915 und früher auf Ostmitteleuropa und Südosteuropa. Mit Abschluß der Römischen Protokolle von 1934 hatte Mussolini dem als Konkurrenz wahrgenommenen NS-Deutschland ein Bündnis aus Italien, Ungarn und Österreich entgegengesetzt, dass die italienischen Interessen in Europa schützen und die NS-Deutsche Politik in Grenzen halten sollte. Die Tötung Dollfuß 1934 führte zu einer stärkeren Anbindung Italiens an Frankreich,die sich als gegenseitige militärische Beistandsversicherungen äußerten. Dadurch gestärkt, begann Italien 1935 die Eroberung Abbessiens, einer Region,  die etwa den heutigen Staaten Äthiopiens und Eritrea, Teilen Sudans und Somalias entsprach. Zuvor, im zweiten italienisch-libyschen Krieg 1921-1932, hatte sich Italien Libyen einverleibt, ein Kolonialkrieg, der teilweise genozidale Ausmasse angenommen hatte- etwa ein Drittel der libyschen Bevölkerung starb in italienischen Konzentrationslagern . Diese Angaben stammen von der Historikerin Anna Baldinetti: The Origin of the Libyan Nation. Colonial legacy, exile and the emergence of a new nation-state. Rouledge, New York 2010. Auch Angelo Del Boca: Faschismus und Kolonialismus. Der Mythos von den „anständigen Italienern“. In: Fritz-Bauer-Institut (Hrsg.): Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2004 hat dazu beigetragen, die italienische Kolonialpolitik zu untersuchen und die Radikalisierung der europäischen Faschisten dazustellen. Karlo Ruzicic-Kessler schreibt in seinem Werk „Italiener auf dem Balkan, Berlin/Boston 2017″ dazu, dass…“ durch mangelhafte diplomatische Vorbereitungen im Vorfeld..und ungenügende militärische Vorbereitung des Feldzuges …Italiens Griff nach einem neuen Kolonialreich…(sich) als Fehlschlag (erwies)… der Krieg wurde zu einer zermürbenden Probe für das italienische Heer,das schließlich nicht davor zurück schreckte, Bombardements mit Giftgas gegen die äthiopische Armee (und Zivilbevölkerung) einzusetzen.“ (S. 23)Die Pläne des Königreichs für Afrika waren ehrgeizig und umfassten den gesamten Sudan und Ägypten, um Libyen „anzuschließen“, konnten aber glücklicherweise nicht realisiert werden. Dennoch wurde Abessinien in der Zeit der italienischen Herrschaft erbarmungslos ausgebeutet, Abessinien legte nach 1945 Beweise für die Ermordung von 780.000 Menschen vor.

Wesentlich mit verantwortlich dafür war der „Herzog von Addis Abeba“ und Graf von Badoglio. Damit war Italien isoliert und von Britannien abhängig, das über  den Suez-Kanal jederzeit die Versorgung der italienischen Truppen hätte kappen können. Damit näherte sich Italien dem alten Rivalen NS-Deutschland an und war sogar bereit, seine Schirmherrschaft über Österreich aufzugeben. Bis er den „Anschluß“ Österreichs 1938 an NS-Deutschland akzeptierte, der von österreichischen und deutschen Nationalsozialisten betrieben wurde, dauerte es noch eine Weile. Auf dem Weg dorthin stand zunächst der deutsch-italienische Freundschaftsvertrag und die Zusicherung Italiens, die kroatischen Separatisten unter Ante Pavelic nicht weiter zu unterstützen, was allerdings nur formell eingehalten wurde. Beim Münchner Abkommen von 1938 wurden nur die ungarischen revisionistischen Erwartungen erfüllt, bei der Zerschlagung Tschechiens entstand ein unabhängiger slowakischer Staat. Das weckte Befürchtungen, dass die kroatischen Ustasa, die unter italienischem Patronat standen, gegen die italienischen Bestrebungen verwendet werden könnten und führte zur Besatzung Albaniens durch Italien. Vorher ließ sich der italienische Außenminister versichern, dass NS-Deutschland keine Pläne gegenüber Jugoslawien habe. Albanien wurde mit der albanisch-italienischen Union formell der Staat belassen, Italien installierte einen Statthalter, ließ eine faschistische albanische Partei zu und formierte damit das faschistische Imperium weiter. Die Ustasa spielten sehr lange nur eine Rolle als Terroristen, die kroatische Politik wurde im ab 1929 dikatorischen Königreich Jugoslawien bestimmt. Das änderte sich erst ab 1934, als sich Jugoslawien stärker an Britannien anlehnte und das Land von Italien als „feindlich“ eingestuft wurde. Der gescheiterte Angriff Italiens auf Griechenland 1940 führte 1941 zum Balkanfeldzug. Italien war in seiner Militärpolitik gescheitert und von NS-Deutschland abhängig, was das faschistische Königreich nicht daran hinderte, Jugoslawien im April 1941 mit zu besetzen. Die Geiselerschießungen, Morde und die Ausbeutung vor allem Serbiens sind ausführlich an anderer Stelle beschrieben worden, Jugoslawien legte 1945 Beweise vor, um das italienische Militär anzuklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in mindestens zehntausenden Fällen.

Italien nahm am Vernichtungskrieg teil, diese Verbrechen sind ebenfalls ausführlich dokumentiert worden und führte zu umfangreichen Forderungen der SU gegen Italien. Die Besatzungspolitik Italiens in seinen Kolonien in Libyen und Abessinien, seinem „Lebensraum“ Jugoslawien sowie Griechenland und Albanien scheiterte an eigenen Fehlern, forderte aber zahllose Opfer unter den jeweiligen Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerungen. Pietro, Graf von Badoglio, war bereits gegen die Teilnahme am Vernichtungskrieg gewesen, da die italienische Armee bereits an Griechenland gescheitert war, konnte sich jedoch erst nach den Verlusten in der SU durchsetzen. Seine Verhandlungen mit Erlaubnis des Königs führten zum Waffenstillstand zum 8.September 1943 Italiens mit den Alliierten.

Die „Militärinternierten“ von Tempelhof

In den „Lilienthallagern“ der LuftHansa AG waren auch zeitweise sogn. „Militärinternierte“ untergebracht. Sie wurden in Bautrupps zusammen mit sow. Kriegsgefangenen eingesetzt. Die sow. Kriegsgefangenen waren in den „Russenlagern“ hinter Stacheldraht bewacht mit Küchenabfällen als Ernährung untergebracht. Den Baracken „schräg gegenüber“ fehlte der Stacheldraht, es gibt keine Hinweise auf  gesonderte Überwachung aber auf Geschirrbenutzung. Sowjetische Kriegsgefangene waren „Untermenschen“, deren Arbeitskraft nur insoweit erhalten wurde, als es zur Arbeitsleistung notwendig war. Hunger, Kälte, Unterernährung, Tuberkulose waren die häufigsten Todesursachen der sow. Kriegsgefangenen, die zudem den Hass der BerlinerInnen auf die „Rote Gefahr“ ertragen mussten.

Die italienischen Militärinternierten, wie die Kriegsgefangenen bezeichnet wurden, waren gemäß der Aktenlage im BARCHB R 9350/1255 Bd. 5,  westlichen Kriegsgefangenen gleichgestellt. Wie auch britischen und US-amerikanischen Gefangene stand den Italienern medizinische Behandlung, Versorgung mit Medikamenten, Arbeitslohn zu und die einzige Ungleichbehandlung, wie sie aus den Unterlagen hervor geht, bestand darin, dass ihnen kein eigener motorisierter Sanitätswagen zur Verfügung gestellt wurde. Stattdessen wurden sie angehalten, entweder Pferdefuhrwerke oder die Bahn zu nutzen. Das Leben der westlichen Kriegsgefangenen dürfte demnach wie auch das der Italiener zwar demütigend und voller Härten und Entbehrungen gewesen sein jedoch in keiner Weise mit dem entsetzlichen Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen vergleichbar. In den Nürnberger Prozessen wurden auch die Umgangsweise mit den verschiedenen Gruppen von Kriegsgefangenen thematisiert. Es finden sich zahlreiche Belege für Verbrechen an der italienischen Bevölkerung und an italienischen Kriegsgefangenen in Italien, jedoch keine Hinweise für einen Umgang, der den Vergleich mit den sowjetischen Kriegsgefangenen rechtfertigt. Statt dessen gibt es Belege für den „Slawenhass“ der italienischen Soldaten.

Die Unterbringung in schlecht heizbaren Baracken war ein Umstand, mit dem auch die französischen, britischen und US-amerikanischen Kriegsgefangenen zurechtkommen mussten. In der Endphase des NS-Staates lösten sich die Organisationen des NS-Staates auf, die Menschen waren sich selbst überlassen. Hier kam es zu Hungersterben in Lagern, die zu abgeschnitten lagen, als dass die Menschen hätten Nahrungsmittel bei Bauern oder Städtern stehlen oder erbetteln können. Zudem wurde der NS – Staat und ebenso die Wachmannschaften in den Lagern mit dem Vorrücken der Roten Armee zunehmend nervöser. Aber auch die deutsche Bevölkerung radikalisierte sich zunehmend. Lynchmorde an Kriegsgefangenen und NS-Zwangsarbeitenden nahmen zu, die Menschen wurden nur als unerwünschte Nahrungsmittelkonkurrenz und eben „Ausländer“ oder sogar „Untermenschen“ wahrgenommen. Es gibt aber keine Belege, dass die Militärinternierten hier schlechter als die westlichen Kriegsgefangenen behandelt wurden.

Verschleppung von italienischen Soldaten aus Italien

In Italien, Jugoslawien, Griechenland, auf Korfu oder auf Kephalonia sah das anders aus. Vor allem die Generäle Albert Kesselring und Erwin Rommel sahen die Aktion des Grafen von Badoglios als „gemeinen Verrat“ an, die stümperhafte Kriegsführung des Königreichs als Ursache für das Fehlen von Einheiten an der Ostfront, durch die die Strategie des Generals von Manstein nicht mehr aufging. Hinzu kam ein bei vielen Generälen verbreiteter Rassismus, dessen Wohlwollen in strafende Verachtung umschlug. Das zeigte sich in der Verachtung für das „Gesindel“, das die „Hand gegen seine Freunde erhoben hatte“. Die sogn. „Bandenbekämpfung“ im italienischen Raum außerhalb des Operationsgebietes des Heeres und der 30 Kilometertiefen Küstenzone oblag dem SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS  Karl Wolf. Wolf wiederum war dem Oberbefehlshaber Südwest, Kesselring, persönlich unterstellt. Albert Kesselring legte Wert auf die exakte Umsetzung des Erlass von General Keitel vom 12. September: „Auf Befehl des Führers ist mit italienischen Truppenteilen, die ihre Waffen in die Hände von Aufständischen haben fallen lassen oder überhaupt mit Aufständischen gemeinsame Sache gemacht haben, nach der Gefangennahme wie folgt zu verfahren: ,1) Die Offiziere sind standrechtlich zu erschießen. 2) Unteroffiziere und Mannschaften sind unmittelbar, unter möglicher Umgehung des Transportwegs durch das Reich nach Osten, . . .zum Arbeitseinsatz zu verbringen.“ Der Befehlshaber der Armeegruppe Südgriechenland, General Helmuth Felmy, stellte denselben Erlass in die Entscheidung der einzelnen Divisionskommandeure. In der Tat kamen aus Felmys Armeegruppe keine Meldungen von Erschießungen, die auf der Weisung vom 12. September beruhten. Diese Angaben basieren auf den Publikationen des deutschen Historikers Gerhard Schreiber, der die deutschen Kriegsverbrechen in Italien untersucht hat. (Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien: Täter – Opfer – Strafverfolgung, München 1996) Die Verbrechen der  deutschenWehrmacht in Italien 1941-43 sind umfangreich und wurden ausführlich dokumentiert, unter den Opfern der Wehrmacht in Italien befanden sich tausende Frauen und Kinder.

Strafverfolgung nach 1945

Es gibt aber eine klare Strategie in der Republik Italien, sämtliche Vorwürfe gegen die italienische Armee wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzuwehren. Alle Verbrechen, die die italienische Armee in Libyen, Äthiopien und Jugoslawien begangen hat, wurden konsequent verschleiert, die Opferrolle der italienischen Armee betont, einzelne Handlungen von vereinzelten Offizieren zur Doktrin erhoben. Das Interesse der Westalliierten, vor allem Britanniens, war es, dass den italienischen Verbrechern ein ruhiges und angenehmes Leben ermöglichte. Vor allem die Rettung zahlreicher Menschen jüdischen Glaubens durch italienische Offiziere diente als Beleg für die „ehrenhafte“ Haltung der Armee. In der italienischen Historiographie gilt dieser Einsatz als erbarmungslos berechnend, denn die italienische Armee führte zugleich Massentötungen an der jugoslawischen Bevölkerung durch. Zusammen mit den Massentötungen von Serben durch das Ustaša-Regime von Ante Pavelic ergibt sich der Eindruck eines beinahe geglückten Genozides an Jugoslawen. Die schwierige Dichotomie zwischen Opfern und Tätern ist jedoch den FachhistorikerInnen allein überlassen, während die Politik keinerlei Interesse zeigt. Die italienische Historikerin Maria Cattaruzzi beschreibt das wie folgt:

„Der verlorene Krieg wird noch heute exklusiv dem Faschismus zugeschrieben, während die Reflexion über die Zäsur, die die Katastrophe vom 8. September [1943] in der nationalen Geschichte darstellt, noch ungenügend ist. Im politischen Diskurs ist der Mythos des Widerstandes […]weiterhin an der Spitze, [während]die militärische und diplomatische Niederlage [in den Hintergrund rückt]. Die fatale Verflechtung vom Fall des Faschismus, von Widerstand und Gründung der Republik macht eine Diskussion über die Narration des Widerstandes als Geburtsstunde des ‚neuen Italiens‘ extrem schwierig…“Cattaruzza, L’Italia e il confine orientale, S. 363, zitiert nach Ruzizic-Kessler, Karlo, Italiener auf dem Balkan,S. 344.

Erinnerung

Die Erinnerung an die italienischen Militärinternierten gestaltet sich als sehr schwierig. Es ist nicht möglich, sich ihrer zu erinnern, ohne auch zugleich an italienische Verbrechen zu erinnern. Ante Pavelic, der „Führer“ der kroatischen Ustaša, war Gast im faschistischen Italien, ihr Staat ein italienisches Protektorat. Die Irredenta, die Zusammenfügung aller italienischsprachigen Gebiete an der Adria war die Grundlage der italienischen Expansionspolitik in Europa, die auch zutreffend als italienischer „Lebensraum“ bezeichnet werden kann. Bereits das Londoner Abkommen von 1915 sah vor, das Italien nach dem Ersten Weltkrieg die Hegemonialmacht Südosteuropas werden durfte und Istrien wie Dalmatien erhalten sollte. 1918 sah sich Italien mit neuen Staaten konfrontiert, vor allem Jugoslawien, das auf dieselben Gebiete Anspruch erhob. Hinzu kam die Konkurrenz zu Albanien und Griechenland, die nach italienischer Auffassung der Irredenta zufallen solle. Das Königreich Italien hatte ebenso wie zuvor die mächtige Republik Venedig Interessen im Mittelmeer und sah sowohl das Osmanische Reich, das Habsburger Imperium als unerwünschte Konkurrenz und nahm die Bestrebungen nach Selbstbestimmung der slawischen Gruppen, voran Serbiens, als Bedrohung wahr. Entsprechend brutal ging das Königreich gegen Jugoslawien vor. Geiselerschießungen, Verschleppung der Zivilbevölkerung, Zwangsarbeit und Plünderungen, Unterstützung sowohl von Tschetniks als auch der Ustaša gehörte zur Politik der italienischen Armee. Ziel war, das sich Tschetniks und Partisanen möglichst gegenseitig töten sollten. Die Verbrechen der Ustaša wurden zwar sowohl von deutschen Wehrmachtsoffizieren als auch italienischen Offizieren moniert, doch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Frage gestellt. Die italienischen Verbrechen in Libyen und Äthiopien sind noch gar nicht aufgearbeitet, wenngleich zumindest dokumentiert. Die Stilisierung als „Opfer“ lenkt den Blick davon ab, dass es sich bei den Italienischen Kriegsgefangenen um eine faschistische Armee handelte, die in Jugoslawien, Albanien und Griechenland, in der Sowjetunion und in Libyen und Äthiopien zahllose Verbrechen begangen hat. Deswegen war die Internierung der italienischen Kriegsgefangenen und ihr Einsatz als Zwangsarbeiter ohne jeden Zweifel völkerrechtswidrig und verbrecherisch, die Erschießungen in verschiedenen Lagern 1945 ein Verbrechen, das geahndet werden muss. Besonders die deutschen Verbrechen in Italien müssen aufgearbeitet werden. Das Verhalten der Generäle Keitel, Kesselring und Rommel bildeten die Grundlage für diese Verbrechen, von deutscher Seite gegenüber Italien 1943-1945. In einem Europa, in dem aber niemand die Verantwortung für Kollaboration und Verbrechen übernehmen will und auch die deutsche Seite wenig Interesse am Ausmaß der eigenen Verbrechen zeigt, ist eine gemeinsame Erinnerungskultur faktisch unmöglich. Zumindest aber sollte die deutsche Seite bei den Fakten bleiben und den Grafen von Badoglio nicht auch noch entlasten. Denn Aufgabe der Historiographie ist nicht Trost oder Entlastung, sondern die Lieferung von möglichst guten Strukturanalysen als Kompass für das Verständnis der komplexen Gegenwart.