Lagersysteme- Herrschaft

Die Lagersysteme stellten für den NS zum einen die Verfügung über Hundertausende Menschen als faktisch kostenlose und rechtlose Arbeitskräfte sicher. Zum anderen fürchtete der NS-Staat auch die Möglichkeit von Aufständen, Streiks oder Sabotage. Entsprechend wurde die Arbeitsgruppen so zusammengestellt, dass stets Menschen zusammenarbeiten mussten, die tiefe Vorurteile oder sogar Hass gegeneinander empfanden. Mit dem nachfolgenden Text sollen keinesfalls die umfangreichen, von Deutschen in der Zeit  des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen in irgendeiner Weise relativiert werden- im NS wurden von Deutschen noch erheblich mehr Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt, als selbst in den Nürnberger Prozessen thematisiert wurden. Allein die Shoa war ein entsetzliches Verbrechen, das aus der Mitte der deutschen Gesellschaft heraus entstand und verübt wurde, der Vernichtungskrieg gegen die SU  ist viel zuwenig bekannt, der deutsche NS hat die Welt insgesamt in den Abgrund geführt. Hier soll lediglich einer Verharmlosung des italienischen Faschismus entgegen getreten werden.

Die Italienischen Militärinternierten

Die sogn. „Italienischen Militärinternierten“ sind ein Beispiel dafür. 1943 verhandelte der Marschall Pietro, Herzog von Addis Abeba und Graf von Badoglio nach dem für Italien katastrophalen Kriegsverlauf einen Waffenstillstand mit den Alliierten. Mussolini wurde abgesetzt, der Waffenstillstand unterschrieben, die italienische Armee, die im italienischen „Lebensraum“ in besetzten Königreich Jugoslawien stand, sich selbst überlassen. Die Befehle Pietro Badoglio waren eindeutig: Keine Gewalt gegen die ehemaligen Verbündeten, solange diese nicht eindeutig feindselig handelten und abwarten. Die italienische Armee löste sich praktisch über Nacht auf. Die verbliebenen Verbände wurden sehr rasch entwaffnet- von Ustaša-Verbänden, den serbischen Tschetnik-Verbänden, Partisanen der Armee Titos und den deutschen Verbänden. Die Schnelligkeit, mit der die Wehrmacht auf die Armee zugriff, lässt darauf schließen, dass sich die Wehrmacht bereits Monate vorher auf den Kriegsaustritt Italiens vorbereitet hatte. In Italien selbst war der Krieg nicht vorbei, im Norden begründete der von Deutschen befreite Mussolini mit massiver deutscher Unterstützung einen „Staat“, die Repubblica Sociale Italiana (RSI) im Norden der Halbinsel. Die von den Alliierten befreiten Gebiete standen dagegen unter Herrschaft der Regierung von Marschall Pietro Badoglio. Zu der antijüdischen Politik Italiens auch: CarloMoos , Der späte italienische Faschismus und die Juden. Hintergründe und Folgen einer rassenpolitischen Wende, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2008, <www.europa.clio-online.de/essay/id/artikel-3423>.

Der italienische Historiker Angelo Ventrone machte für das Chaos das Versagen der italienischen Führung verantwortlich: „…In drei Tagen wurde der organisierte Widerstand fast überall aufgelöst. Rom, um das Badoglio fünf Divisionen hatte aufstellen lassen ergab sich zwei deutschen Divisionen…“(Ventrone, La democrazia in Italia, S. 37f)

Mittlerweile ist es Konsens in der italienischen Geschichtswissenschaft, dass zwischen 1943 und 1945 in Italien ein Bürgerkrieg tobte, in dem beide Seiten mit äußerster Brutalität vorgingen, sowohl die italienischen Faschisten in ihrer Republik als auch die Partisanen. Der Krieg in Jugoslawien fand in seiner Radikalisierung seine Entsprechung zu Italien, obgleich in Jugoslawien noch weitere Gruppen hinzukamen: die Tschetniks, Titos Partisanen, die Ustaša, die faschistischen bosnischen Einheiten und die deutsche Wehrmacht. In Italien selbst konzentrierte sich der Bürgerkrieg auf seine politische Ausprägung. Die Politik Badoglios ging auf: Die Kommunisten wurden, wie von den USA gewünscht, an der Regierung beteiligt, sie waren jedoch nicht in der Lage, radikale Forderungen zu stellen, womit die britischen Wünsche nach einem Schutz vor „Bolschewisierung“ gewährleistet waren. Zugleich war Italien davor geschützt, sich sowohl mit Reparationen aus Jugoslawien für die Verbrechen der italienischen Armee in Jugoslawien zu befassen als auch den Forderungen Äthiopiens und Libyens für die italienischen Verbrechen in dieser Besatzung. Mit der Einigung der Kommunisten mit den Monarchisten auf Seiten der Alliierten war Italien „rehabilitiert“. Die italienische Linke, das Bündnis aus Kommunisten und Sozialisten hatte aber das Problem, das die Sowjetunion die Territorialforderungen Jugoslawiens, Sloweniens und anderer europäischer Staaten gegen Italien anerkannte und unterstützte. Das Hauptproblem bestand aber in der Auflösung des Kolonialreiches und der sowjetischen Forderung nach hohen Reparationen. Immerhin war das Königreich Italien in den Krieg gegen die Sowjetunion eingetreten und hatte erhebliche Verbrechen gegen die sowjetische Bevölkerung verübt. Äthiopien forderte sogar einen eigenen Kriegsverbrecherprozess gegen die Republik Italien wegen der Errichtung von italienischen Konzentrationslagern in Äthiopien, Zwangsverschleppung, Zwangsprostitution und den Massentötungen mit Giftgas 1935-37. Die vergleichbaren Ansprüche Libyens waren dabei nicht einmal verzeichnet. Auch in Libyen hatte das Königreich unter seinem Gouverneur Pietro Badoglio Konzentrationslager errichten lassen. Erst 1994 konnte die Republik Italien erstmals zugeben, dass es all diese Verbrechen gegeben hatte.

Verbrechen Italiens als Kolonialmacht und auf dem Balkan

Engelbert Dollfuß, austrofaschistischer Kanzler in Österreich 1932-1934, ab 1933 diktatorisch herrschend, war ein Verbündeter Italiens. Der Kanzler und Diktator 1933 galt nach dem Verbot der NSDAP in Österreich als Garant für die Ambitionen Mussolinis in Europa. Diese richteten sich seit 1915 und früher auf Ostmitteleuropa und Südosteuropa. Mit Abschluß der Römischen Protokolle von 1934 hatte Mussolini dem als Konkurrenz wahrgenommenen NS-Deutschland ein Bündnis aus Italien, Ungarn und Österreich entgegengesetzt, dass die italienischen Interessen in Europa schützen und die NS-Deutsche Politik in Grenzen halten sollte. Die Tötung Dollfuß 1934 führte zu einer stärkeren Anbindung Italiens an Frankreich,die sich als gegenseitige militärische Beistandsversicherungen äußerten. Dadurch gestärkt, begann Italien 1935 die Eroberung Abbessiens, einer Region,  die etwa den heutigen Staaten Äthiopiens und Eritrea, Teilen Sudans und Somalias entsprach. Zuvor, im zweiten italienisch-libyschen Krieg 1921-1932, hatte sich Italien Libyen einverleibt, ein Kolonialkrieg, der teilweise genozidale Ausmasse angenommen hatte- etwa ein Drittel der libyschen Bevölkerung starb in italienischen Konzentrationslagern . Diese Angaben stammen von der Historikerin Anna Baldinetti: The Origin of the Libyan Nation. Colonial legacy, exile and the emergence of a new nation-state. Rouledge, New York 2010. Auch Angelo Del Boca: Faschismus und Kolonialismus. Der Mythos von den „anständigen Italienern“. In: Fritz-Bauer-Institut (Hrsg.): Völkermord und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2004 hat dazu beigetragen, die italienische Kolonialpolitik zu untersuchen und die Radikalisierung der europäischen Faschisten dazustellen. Karlo Ruzicic-Kessler schreibt in seinem Werk „Italiener auf dem Balkan, Berlin/Boston 2017″ dazu, dass…“ durch mangelhafte diplomatische Vorbereitungen im Vorfeld..und ungenügende militärische Vorbereitung des Feldzuges …Italiens Griff nach einem neuen Kolonialreich…(sich) als Fehlschlag (erwies)… der Krieg wurde zu einer zermürbenden Probe für das italienische Heer,das schließlich nicht davor zurück schreckte, Bombardements mit Giftgas gegen die äthiopische Armee (und Zivilbevölkerung) einzusetzen.“ (S. 23)Die Pläne des Königreichs für Afrika waren ehrgeizig und umfassten den gesamten Sudan und Ägypten, um Libyen „anzuschließen“, konnten aber glücklicherweise nicht realisiert werden. Dennoch wurde Abessinien in der Zeit der italienischen Herrschaft erbarmungslos ausgebeutet, Abessinien legte nach 1945 Beweise für die Ermordung von 780.000 Menschen vor.

Wesentlich mit verantwortlich dafür war der „Herzog von Addis Abeba“ und Graf von Badoglio. Damit war Italien isoliert und von Britannien abhängig, das über  den Suez-Kanal jederzeit die Versorgung der italienischen Truppen hätte kappen können. Damit näherte sich Italien dem alten Rivalen NS-Deutschland an und war sogar bereit, seine Schirmherrschaft über Österreich aufzugeben. Bis er den „Anschluß“ Österreichs 1938 an NS-Deutschland akzeptierte, der von österreichischen und deutschen Nationalsozialisten betrieben wurde, dauerte es noch eine Weile. Auf dem Weg dorthin stand zunächst der deutsch-italienische Freundschaftsvertrag und die Zusicherung Italiens, die kroatischen Separatisten unter Ante Pavelic nicht weiter zu unterstützen, was allerdings nur formell eingehalten wurde. Beim Münchner Abkommen von 1938 wurden nur die ungarischen revisionistischen Erwartungen erfüllt, bei der Zerschlagung Tschechiens entstand ein unabhängiger slowakischer Staat. Das weckte Befürchtungen, dass die kroatischen Ustasa, die unter italienischem Patronat standen, gegen die italienischen Bestrebungen verwendet werden könnten und führte zur Besatzung Albaniens durch Italien. Vorher ließ sich der italienische Außenminister versichern, dass NS-Deutschland keine Pläne gegenüber Jugoslawien habe. Albanien wurde mit der albanisch-italienischen Union formell der Staat belassen, Italien installierte einen Statthalter, ließ eine faschistische albanische Partei zu und formierte damit das faschistische Imperium weiter. Die Ustasa spielten sehr lange nur eine Rolle als Terroristen, die kroatische Politik wurde im ab 1929 dikatorischen Königreich Jugoslawien bestimmt. Das änderte sich erst ab 1934, als sich Jugoslawien stärker an Britannien anlehnte und das Land von Italien als „feindlich“ eingestuft wurde. Der gescheiterte Angriff Italiens auf Griechenland 1940 führte 1941 zum Balkanfeldzug. Italien war in seiner Militärpolitik gescheitert und von NS-Deutschland abhängig, was das faschistische Königreich nicht daran hinderte, Jugoslawien im April 1941 mit zu besetzen. Die Geiselerschießungen, Morde und die Ausbeutung vor allem Serbiens sind ausführlich an anderer Stelle beschrieben worden, Jugoslawien legte 1945 Beweise vor, um das italienische Militär anzuklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in mindestens zehntausenden Fällen.

Italien nahm am Vernichtungskrieg teil, diese Verbrechen sind ebenfalls ausführlich dokumentiert worden und führte zu umfangreichen Forderungen der SU gegen Italien. Die Besatzungspolitik Italiens in seinen Kolonien in Libyen und Abessinien, seinem „Lebensraum“ Jugoslawien sowie Griechenland und Albanien scheiterte an eigenen Fehlern, forderte aber zahllose Opfer unter den jeweiligen Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerungen. Pietro, Graf von Badoglio, war bereits gegen die Teilnahme am Vernichtungskrieg gewesen, da die italienische Armee bereits an Griechenland gescheitert war, konnte sich jedoch erst nach den Verlusten in der SU durchsetzen. Seine Verhandlungen mit Erlaubnis des Königs führten zum Waffenstillstand zum 8.September 1943 Italiens mit den Alliierten.

Die „Militärinternierten“ von Tempelhof

In den „Lilienthallagern“ der LuftHansa AG waren auch zeitweise sogn. „Militärinternierte“ untergebracht. Sie wurden in Bautrupps zusammen mit sow. Kriegsgefangenen eingesetzt. Die sow. Kriegsgefangenen waren in den „Russenlagern“ hinter Stacheldraht bewacht mit Küchenabfällen als Ernährung untergebracht. Den Baracken „schräg gegenüber“ fehlte der Stacheldraht, es gibt keine Hinweise auf  gesonderte Überwachung aber auf Geschirrbenutzung. Sowjetische Kriegsgefangene waren „Untermenschen“, deren Arbeitskraft nur insoweit erhalten wurde, als es zur Arbeitsleistung notwendig war. Hunger, Kälte, Unterernährung, Tuberkulose waren die häufigsten Todesursachen der sow. Kriegsgefangenen, die zudem den Hass der BerlinerInnen auf die „Rote Gefahr“ ertragen mussten.

Die italienischen Militärinternierten, wie die Kriegsgefangenen bezeichnet wurden, waren gemäß der Aktenlage im BARCHB R 9350/1255 Bd. 5,  westlichen Kriegsgefangenen gleichgestellt. Wie auch britischen und US-amerikanischen Gefangene stand den Italienern medizinische Behandlung, Versorgung mit Medikamenten, Arbeitslohn zu und die einzige Ungleichbehandlung, wie sie aus den Unterlagen hervor geht, bestand darin, dass ihnen kein eigener motorisierter Sanitätswagen zur Verfügung gestellt wurde. Stattdessen wurden sie angehalten, entweder Pferdefuhrwerke oder die Bahn zu nutzen. Das Leben der westlichen Kriegsgefangenen dürfte demnach wie auch das der Italiener zwar demütigend und voller Härten und Entbehrungen gewesen sein jedoch in keiner Weise mit dem entsetzlichen Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen vergleichbar. In den Nürnberger Prozessen wurden auch die Umgangsweise mit den verschiedenen Gruppen von Kriegsgefangenen thematisiert. Es finden sich zahlreiche Belege für Verbrechen an der italienischen Bevölkerung und an italienischen Kriegsgefangenen in Italien, jedoch keine Hinweise für einen Umgang, der den Vergleich mit den sowjetischen Kriegsgefangenen rechtfertigt. Statt dessen gibt es Belege für den „Slawenhass“ der italienischen Soldaten.

Die Unterbringung in schlecht heizbaren Baracken war ein Umstand, mit dem auch die französischen, britischen und US-amerikanischen Kriegsgefangenen zurechtkommen mussten. In der Endphase des NS-Staates lösten sich die Organisationen des NS-Staates auf, die Menschen waren sich selbst überlassen. Hier kam es zu Hungersterben in Lagern, die zu abgeschnitten lagen, als dass die Menschen hätten Nahrungsmittel bei Bauern oder Städtern stehlen oder erbetteln können. Zudem wurde der NS – Staat und ebenso die Wachmannschaften in den Lagern mit dem Vorrücken der Roten Armee zunehmend nervöser. Aber auch die deutsche Bevölkerung radikalisierte sich zunehmend. Lynchmorde an Kriegsgefangenen und NS-Zwangsarbeitenden nahmen zu, die Menschen wurden nur als unerwünschte Nahrungsmittelkonkurrenz und eben „Ausländer“ oder sogar „Untermenschen“ wahrgenommen. Es gibt aber keine Belege, dass die Militärinternierten hier schlechter als die westlichen Kriegsgefangenen behandelt wurden.

Verschleppung von italienischen Soldaten aus Italien

In Italien, Jugoslawien, Griechenland, auf Korfu oder auf Kephalonia sah das anders aus. Vor allem die Generäle Albert Kesselring und Erwin Rommel sahen die Aktion des Grafen von Badoglios als „gemeinen Verrat“ an, die stümperhafte Kriegsführung des Königreichs als Ursache für das Fehlen von Einheiten an der Ostfront, durch die die Strategie des Generals von Manstein nicht mehr aufging. Hinzu kam ein bei vielen Generälen verbreiteter Rassismus, dessen Wohlwollen in strafende Verachtung umschlug. Das zeigte sich in der Verachtung für das „Gesindel“, das die „Hand gegen seine Freunde erhoben hatte“. Die sogn. „Bandenbekämpfung“ im italienischen Raum außerhalb des Operationsgebietes des Heeres und der 30 Kilometertiefen Küstenzone oblag dem SS-Obergruppenführer und General der Waffen SS  Karl Wolf. Wolf wiederum war dem Oberbefehlshaber Südwest, Kesselring, persönlich unterstellt. Albert Kesselring legte Wert auf die exakte Umsetzung des Erlass von General Keitel vom 12. September: „Auf Befehl des Führers ist mit italienischen Truppenteilen, die ihre Waffen in die Hände von Aufständischen haben fallen lassen oder überhaupt mit Aufständischen gemeinsame Sache gemacht haben, nach der Gefangennahme wie folgt zu verfahren: ,1) Die Offiziere sind standrechtlich zu erschießen. 2) Unteroffiziere und Mannschaften sind unmittelbar, unter möglicher Umgehung des Transportwegs durch das Reich nach Osten, . . .zum Arbeitseinsatz zu verbringen.“ Der Befehlshaber der Armeegruppe Südgriechenland, General Helmuth Felmy, stellte denselben Erlass in die Entscheidung der einzelnen Divisionskommandeure. In der Tat kamen aus Felmys Armeegruppe keine Meldungen von Erschießungen, die auf der Weisung vom 12. September beruhten. Diese Angaben basieren auf den Publikationen des deutschen Historikers Gerhard Schreiber, der die deutschen Kriegsverbrechen in Italien untersucht hat. (Schreiber, Deutsche Kriegsverbrechen in Italien: Täter – Opfer – Strafverfolgung, München 1996) Die Verbrechen der  deutschenWehrmacht in Italien 1941-43 sind umfangreich und wurden ausführlich dokumentiert, unter den Opfern der Wehrmacht in Italien befanden sich tausende Frauen und Kinder.

Strafverfolgung nach 1945

Es gibt aber eine klare Strategie in der Republik Italien, sämtliche Vorwürfe gegen die italienische Armee wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzuwehren. Alle Verbrechen, die die italienische Armee in Libyen, Äthiopien und Jugoslawien begangen hat, wurden konsequent verschleiert, die Opferrolle der italienischen Armee betont, einzelne Handlungen von vereinzelten Offizieren zur Doktrin erhoben. Das Interesse der Westalliierten, vor allem Britanniens, war es, dass den italienischen Verbrechern ein ruhiges und angenehmes Leben ermöglichte. Vor allem die Rettung zahlreicher Menschen jüdischen Glaubens durch italienische Offiziere diente als Beleg für die „ehrenhafte“ Haltung der Armee. In der italienischen Historiographie gilt dieser Einsatz als erbarmungslos berechnend, denn die italienische Armee führte zugleich Massentötungen an der jugoslawischen Bevölkerung durch. Zusammen mit den Massentötungen von Serben durch das Ustaša-Regime von Ante Pavelic ergibt sich der Eindruck eines beinahe geglückten Genozides an Jugoslawen. Die schwierige Dichotomie zwischen Opfern und Tätern ist jedoch den FachhistorikerInnen allein überlassen, während die Politik keinerlei Interesse zeigt. Die italienische Historikerin Maria Cattaruzzi beschreibt das wie folgt:

„Der verlorene Krieg wird noch heute exklusiv dem Faschismus zugeschrieben, während die Reflexion über die Zäsur, die die Katastrophe vom 8. September [1943] in der nationalen Geschichte darstellt, noch ungenügend ist. Im politischen Diskurs ist der Mythos des Widerstandes […]weiterhin an der Spitze, [während]die militärische und diplomatische Niederlage [in den Hintergrund rückt]. Die fatale Verflechtung vom Fall des Faschismus, von Widerstand und Gründung der Republik macht eine Diskussion über die Narration des Widerstandes als Geburtsstunde des ‚neuen Italiens‘ extrem schwierig…“Cattaruzza, L’Italia e il confine orientale, S. 363, zitiert nach Ruzizic-Kessler, Karlo, Italiener auf dem Balkan,S. 344.

Erinnerung

Die Erinnerung an die italienischen Militärinternierten gestaltet sich als sehr schwierig. Es ist nicht möglich, sich ihrer zu erinnern, ohne auch zugleich an italienische Verbrechen zu erinnern. Ante Pavelic, der „Führer“ der kroatischen Ustaša, war Gast im faschistischen Italien, ihr Staat ein italienisches Protektorat. Die Irredenta, die Zusammenfügung aller italienischsprachigen Gebiete an der Adria war die Grundlage der italienischen Expansionspolitik in Europa, die auch zutreffend als italienischer „Lebensraum“ bezeichnet werden kann. Bereits das Londoner Abkommen von 1915 sah vor, das Italien nach dem Ersten Weltkrieg die Hegemonialmacht Südosteuropas werden durfte und Istrien wie Dalmatien erhalten sollte. 1918 sah sich Italien mit neuen Staaten konfrontiert, vor allem Jugoslawien, das auf dieselben Gebiete Anspruch erhob. Hinzu kam die Konkurrenz zu Albanien und Griechenland, die nach italienischer Auffassung der Irredenta zufallen solle. Das Königreich Italien hatte ebenso wie zuvor die mächtige Republik Venedig Interessen im Mittelmeer und sah sowohl das Osmanische Reich, das Habsburger Imperium als unerwünschte Konkurrenz und nahm die Bestrebungen nach Selbstbestimmung der slawischen Gruppen, voran Serbiens, als Bedrohung wahr. Entsprechend brutal ging das Königreich gegen Jugoslawien vor. Geiselerschießungen, Verschleppung der Zivilbevölkerung, Zwangsarbeit und Plünderungen, Unterstützung sowohl von Tschetniks als auch der Ustaša gehörte zur Politik der italienischen Armee. Ziel war, das sich Tschetniks und Partisanen möglichst gegenseitig töten sollten. Die Verbrechen der Ustaša wurden zwar sowohl von deutschen Wehrmachtsoffizieren als auch italienischen Offizieren moniert, doch zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Frage gestellt. Die italienischen Verbrechen in Libyen und Äthiopien sind noch gar nicht aufgearbeitet, wenngleich zumindest dokumentiert. Die Stilisierung als „Opfer“ lenkt den Blick davon ab, dass es sich bei den Italienischen Kriegsgefangenen um eine faschistische Armee handelte, die in Jugoslawien, Albanien und Griechenland, in der Sowjetunion und in Libyen und Äthiopien zahllose Verbrechen begangen hat. Deswegen war die Internierung der italienischen Kriegsgefangenen und ihr Einsatz als Zwangsarbeiter ohne jeden Zweifel völkerrechtswidrig und verbrecherisch, die Erschießungen in verschiedenen Lagern 1945 ein Verbrechen, das geahndet werden muss. Besonders die deutschen Verbrechen in Italien müssen aufgearbeitet werden. Das Verhalten der Generäle Keitel, Kesselring und Rommel bildeten die Grundlage für diese Verbrechen, von deutscher Seite gegenüber Italien 1943-1945. In einem Europa, in dem aber niemand die Verantwortung für Kollaboration und Verbrechen übernehmen will und auch die deutsche Seite wenig Interesse am Ausmaß der eigenen Verbrechen zeigt, ist eine gemeinsame Erinnerungskultur faktisch unmöglich. Zumindest aber sollte die deutsche Seite bei den Fakten bleiben und den Grafen von Badoglio nicht auch noch entlasten. Denn Aufgabe der Historiographie ist nicht Trost oder Entlastung, sondern die Lieferung von möglichst guten Strukturanalysen als Kompass für das Verständnis der komplexen Gegenwart.

 

Offener Brief

Offener Brief am 10.01.2018

 

Neue Gedenkstätten und Gedenkorte sind oft sehr umstritten. In der virtuellen Zukunftswerkstatt auf Berlin.de zum Flughafen Tempelhof hatte der Verein THF33-45 seine Forderung nach Errichtung eines Gedenk- und Lernortes bekräftigt. Frau Elke Dittrich hatte am 08.01.2017 gegen 19.00 Uhr also kurz vor Beendung der Teilnahmephase dem Text von THF 33-45 einen Kommentar hinzugefügt. Da nun Antworten technisch nicht mehr möglich sind, erfolgt hier die Replik.

Sehr geehrte Frau Dittrich,

vielen Dank für ihre Hinweise. Zu meinem Bedauern ist Ihnen am Text über das Tempelhofer Feld vieles unbekannt und unklar. Gerne gebe ich Ihnen eine ausführliche Erklärung.

  1. Zunächst die „Flugzeugfabrik der Luftwaffe“. Das bezieht sich darauf, dass die gesamte Produktpalette der WeserFlug GmbH vom Reichsluftfahrtministerium (RLM) gesteuert und alle wesentlichen Programm- und Investitionsentscheidungen im Berliner Ministerium getroffen wurden. Der von der Weltwirtschaftskrise schwer getroffene Schiffsbaukonzern Deschimag überwand die Unternehmenskrise durch den Einstieg in die unternehmensfremde Luftsparte Flugzeugbau mit ihrem Hauptwerk Weser AG. Dazu übernahm die Firma die renommierte aber insolvente Rohrbach AG, die sie 1934 mit der WeserFlug GmbH vereinigte. Prof. Adolf Rohrbach, der die Stellung eines technischen Direktors in der neuen Firma bekleidete, gelang es nicht, eine eigenständige Entwicklungsabteilung bei der WeserFlug zu etablieren, daher wurde aus der mit Hilfe des RLM zum Großkonzern mit Serienfertigung aufgestiegenen WeserFlug GmbH letztlich nur die verlängerte Werkbank des RLM. Die Bezeichnung „Flugzeugfabrik der Luftwaffe“ bezieht sich also auf die völlige unternehmerische Abhängigkeit der WeserFlug GmbH, die natürlich profitierte, da sie bei voller Auslastung und geringem Marktrisiko einen guten Gewinn erzielte….weiterlesen…unten klicken.

Sehr geehrte Frau Dittrich

Geschichte

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Die Geschichte des Tempelhofer Feldes reicht zurück bis in die Zeit der preußischen Könige, die das Areal vor der damaligen Stadt Berlin als Aufmarschgebiet nutzten. Das preußisch-deutsche Kaiserreich errichtete ein erstes Netzwerk aus Forschungsinstitutitionen, Militär und Industrie, das den Beteiligten erhebliches Prestige und Ansehen, Einkommen und Pensionen ermöglichte. Zu den frühen Innovationen gehörte auch die frühe Luftfahrt, die bereits am Rande des Feldes einen Platz hatte und zur Teilstreitkraft des Heeres avancierte. Nach der Niederlage des Ersten Weltkrieges wurde das Feld auch ein Schauplatz der Novemberrevolution. Der erste „Volkspark“ und „freie Gärten“ gehörten zu den „Errungenschaften“ der Arbeiterräte aus Tempelhof und Neukölln. Die Gärten wurden zugunsten des Ausbaus des „Alten Hafens“ verlagert, bzw. die Kleingärtner erhielten nach Protesten Ersatzflächen. Im Zentrum stand aber ununterbrochen das Militär, zeitweise verdeckt, nach der Machtübergabe an die NSDAP offen und prägte Form und Geschichte des Feldes massgeblich.

Das Militärgefängnis auf dem Tempelhofer Feld

In der ehemaligen kaiserlichen Militärarrestanstalt und preußischen Justizgefängnis Columbia-Haus am gleichnamigen Columbiadamm in Berlin bestand während der NS-Zeit von 1934 bis 1936 ein frühes Konzentrationslager für politische Häftlinge, jüdische Häftlinge, bündische Jugend, evangelische und katholische Priester, Ordensbrüder, Zeugen Jehova, Homosexuelle, Sexarbeiter, sog. Kriminelle, sog. Asoziale und sogn. Berufsverbrecher. Das Lager war zugleich zentrale Haftstätte des preußischen Geheimen Staatspolizeiamtes (Gestapa). Bei den Gefangenen lässt sich das Zusammenwirken von Innenministerium, Justiz und Gestapo feststellen, was zum einen Auswirkungen auf die Verfolgungswege hatte. Zum anderen lassen sich frühe Richtlinien der NS-Arbeits- Gesundheits- und Wohlfahrtspolitik erkennen, die zum damaligen Zeitpunkt Optionen darstellten. Unter den Gefangenen befanden sich ab 1935 auch Zeugen Jehovas, sog. „Kriminelle“, sog. „Verbrecher“, zahlreiche homosexuelle Männer, Sexarbeiter und ihre Freier, bündische Jugendliche, homosexuelle HJ-Jungen, katholische Jugendführer, katholische Priester und Ordensbrüder, unter ihnen Pater Joseph Rossaint, Domherr Bernhard Lichtenberg und zahlreiche Ordenspriester. Diese Männer wurden überwiegend zum Verhör durch die Gestapo in das Konzentrationslager verbracht; ab 1935 wurden aber viele Männer nicht mehr entlassen, höchstens aus Platzmangel in die Lichtenburg verlegt. In der Frühphase galt der Terror der Zerschlagung der politischen Opposition, vor allem der organisierten Arbeiterbewegung. Auffallend ist die bereits vorhandene und durchgehende doppelte Stigmatisierung der Gefangenen jüdischen Glaubens. Zeitzeugenberichte bestätigen, dass diese Männer von Beginn an besonderen Demütigungen und Misshandlungen ausgesetzt waren. Im Verlauf der Festigung des Regimes und nach Beendigung des Machtkampfes zwischen Göring und Röhm wurde die Funktion des Konzentrationslagers erweitert. Die Funktion eines Arbeitslagers mit umfangreichen SS Betrieben und „Arbeitskräfteverleih“ wie im KZ Sachsenhausen hatte das Columbia (noch) nicht, obgleich bereits ein erster zunächst SA, dann nach der Erschießung von Röhm übergangsweise Luftwaffen- dann ein SS – Betrieb tätig war, der auch Häftlinge „beschäftigte“. Die Häftlinge wurden nach bisherigen Erkenntnissen aber überwiegend zu handwerklichen Arbeiten im KZ und für die Wachmannschaften eingesetzt. Die „Katholikenprozesse“ beispielsweise spiegeln einerseits das Verbot der politischen Betätigung der katholischen Kirche im Reich andererseits den Konflikt um die Euthanasie  wieder. (Kirchenkampf) Anhand der Gefangenen im KZ Columbia und ihrer Prozesse soll das Zusammenwirken zwischen Gestapo, Justiz und Innenministerium und der Einrichtungen der NSDAP erläutert werden. Zu den Dienststellen des Innenministerium zählte auch die „Wohlfahrt“ und das „Amt für Volksgesundheit“.

 

Die Flughäfen der Luftwaffe Berlin-Tempelhof 1933-1945

 Seit dem ersten Flug eines Heißluftballons gehört die Luftfahrt als Mobilitätstechnik ebenso selbstverständlich zu einer industriellen Gesellschaft wie die Entwicklung von Kommunikationssystemen. Beide Technik- und Industriebereiche weisen sehr ähnliche Entwicklungen auf und haben beide erhebliche Innovationsschritte im Nationalsozialismus erfahren. Ausgehend von der frühen Wissens- und Technikgesellschaft, als sich Luftfahrt- und Luftfahrtforschung stets gemeinsam mit der Funktechnik durch Höhenforschung und Wetterbeobachtung herauszubilden begann, spiegeln vor allem die Luftfahrt und Funktechnik die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wider, die sie selbst entscheidend mit geprägt haben. Luftfahrt und Funktechnik war von Beginn an staatliche Förderer gebunden, die auch als wichtigste Nachfrager auftraten. In Deutschland waren diese staatlichen Förderer neben den zivilen Möglichkeiten auch immer an den militärischen Nutzungen interessiert. Hermann Göring beispielsweise vertrat als einer ihrer Lobbyisten in der späten Weimarer Republik die Interessen der LuftHansa AG im Reichstag. Nach der Machtübergabe an die NSDAP nach den Wahlen am 30.Januar 1933 berief Göring denn auch den Vorstand der LuftHansa, Erhard Milch, zu seinem Staatssekretär und Organisator der Luftwaffe. Dazu wurden die beiden Technik- und Industriezweige neu aufgestellt und von weit überwiegend „Startups“ von Ingenieuren, ehemaligen Sparten von Reedereien oder Kleinbetrieben von Fliegern und einem mittleren Betrieb (Junkers) zu Konzernen der Luftwaffe umgebaut. Zeitgleich wurde beträchtlich in die Forschung und Entwicklung investiert, um aus den im europäisch oder international Vergleich weitgehend unbedeutenden, weil technisch weit zurückliegenden Betrieben eine schlagkräftige Forschung und Industrie zu formen. Der Flughafen Tempelhof, als Weltflughafen und Fliegerhorst geplant, sollte zunächst die Institutionen der Luftfahrt von den Forschungsinstituten zur Verwaltung des Ministeriums beherbergen. Mit Eintritt in den zweiten Weltkrieg befahl Hermann Göring aber die Verlagerung eines Werkes der WeserFlug in den Flughafen, der gemeinsam mit dem Umbauwerk der LuftHansa zu einer der wichtigsten Flugzeugfabriken der Luftwaffe im Deutschen Reich wurde.

Nach der Befreiung wurde der Flughafen zu einem wichtigen Stützpunkt der US-Army in der „Frontstadt des Kalten Krieges“ Berlin.

Facetten des Tempelhofer Feldes

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Auf dem Gelände des Tempelhofer Feldes befanden sich von 1933 bis 1945 wichtige Instititutionen, die der nationalsozialistische Staat für seine Zwecke gestaltete oder neu schuf: Das Columbiahaus, das einzige „SS-Gefängnis“ Berlins, eine Zeitlang der Geheimen Staatspolizei direkt unterstellt, 1934 bis 1936 „staatliches“ KZ Columbia, der „alte“ Berliner Zentralflughafen, der „neue“ Weltflughafen „Germania“ und spätere Zentralflughafen Tempelhof. Der „Weltflughafen Germania“ beinhaltete vor allem Dienststellen des Reichsluftfahrtministeriums, die Berliner Flughafengesellschaft, ein Reparatur- und Umbauwerk der LuftHansa AG sowie Montagewerke für Radar und Flugzeuge.

Vom Militärgefängnis zum KZ Columbia

-NS- Justiz und § 175

-KZ und Wirtschaftsunternehmen

-KZ und „Rassehygiene“

 

Alter Hafen Zentralflughafen

Der „Alte Hafen“ Zentralflughafen Tempelhof

Leonard Adler, der „schönste Flughafen der Welt“  und die Berliner Verkehrsgesellschaft

Kampf um die „freien Gärten“

LuftHansa AG

Im NS- Fliegerhorst, Transportgesellschaft und Reparaturwerft

 

Neuer Hafen Tempelhof

Wissenschaftsstadt

Rüstungsstandort /WeserFlug GmbH /Telefunken AG/ und andere

Dienststellen des Reichsluftfahrtministeriums

 

Arbeit und NS-Zwangsarbeit

Dienstpflicht

Jüdische Zwangsarbeit

„Arbeitskraft als Beute“ – NS-Zwangsarbeit

„Freie Ausländer“

Kriegsgefangene

 

 

 

Literatur:
Unterliegt wie alles dem Urheberrecht! Kopieren ohne Zitat untersagt!
Kein Ort der Freiheit- Das Tempelhofer Feld 1933-1945
Konzentrationslager- Luftwaffenstützpunkt- Rüstungszentrum
Beiträge zur gedenkpolitischen Debatte über den Flughafen Tempelhof
Hg Berliner Geschichtswerkstatt, Berlin 2012

Beiheft zur Historischen Bildung: Spurensuche
Hg. THf 33-45, Berlin 2016

"Arbeit für den Feind"
Beate Winzer, Berlin 2009

"Suchen Sie das Columbia"
Beate Winzer, Berlin 2009

"Mitropa- Der Restaurationsbetrieb der LuftHansa"
Beate Winzer, Berlin 2013

"Flug- und Funktechnik- 
Das Beispiel der Flugzeugfabriken der Luftwaffe Berlin-Tempelhof im NS"
Beate Winzer, Berlin 2015

„Lore II- das Walzwerk der Telefunken“
Beate Winzer, Berlin 2017

 

 

 

Lesung 81 Jahre Columbia

Zur Columbiadiele- das KZ Columbia

KZ Columbia
Die Ausweitung der Verfolgung
Biografische Lesung „Aus der Columbiadiele“
Kurt Hiller- Heinz Dörmer – Horst Hörig

Es liest Renata Brckan
Es spielt Isabel Neuenfeldt

24. Oktober 2015
19.30 Uhr Dodo

Vor 81 Jahren wurde aus dem SS-Gefängnis Columbiahaus das KZ Columbia.

Im Jahr 1934fielen mehrere folgenschwere Entscheidungen; Das KZ –System wurde beibehalten und ausgebaut. Die Verfolgung wurde auf „Kriminelle“ ausgeweitet. In den Augen der Kriminalpolizei (und SS) waren schwule Männer und Transpersonen vor allem„Sittlichkeitsverbrecher“. Kriminalität wurde seit dem 19.Jahrhundert als „neurologische Störung“, „Verrückt-Sein“ oder neuropathologisches Verhalten definiert. Diese Definition von Kriminalität als „angeborenem“, also Biologischem Muster wurde in der NS-Gesellschaft von Kriminalbiologen, Ärzten und Kriminalisten zur „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ und „Sozialhygiene“ erhoben. Zugleich war das „Delikt Homosexualität“ eine beliebte Allzweckwaffe zur Gegnerbekämpfung sowie zur Disziplinierung und Überwachung der Gesellschaft.

In der Veranstaltung ehren wir schwule Männer und Transpersonen als NS-Opfer.

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Historische Führung auf dem Tempelhofer Feld

THF33-45: Historische Führung auf dem Tempelhofer Feld |

Termine für Führungen von THF 33 – 45 e. V. im Jahr 2022-

Anmeldung bitte bei den Tourguides oder unter Rundgang-ed-thf33-45.de; Kosten 5 Euro pro Person

 

30.7.: 14 – 16 Uhr

Tempelhofer Feld: das Reichsluftfahrtministerium
Tourguide: Beate Winzer

ENTFÄLLT

Anmeldung: beate.winzer-äd-thf33-45.de

 

 

September 2022:

10.9.: 14 – 16 Uhr

Tempelhofer Feld: KZ, Zwangsarbeit und Luftbrücke

ENTFÄLLT

 

24.9.: 14 – 16 Uhr

Archäologie der Zwangsarbeit (1939 – 1945) auf dem Tempelhofer Feld

Tourguide: Kathrin Misterek

Treffpunkt: Mahnmal für das KZ Columbia; Columbiadamm/Golßener Straße (BVG Haltestelle: Bus 104)

Kosten: 5.- €uro

Anmeldung: kathrin.misterek@thf33-45.de

 

Oktober 2022:

15.10.: 14 – 16 Uhr

Konzentrationslager „Columbia“: Denkmal und historischer Ort

Tourguide: Eugen Troendlin

Treffpunkt: Mahnmal für das KZ Columbia; Columbiadamm/Golßener Straße (BVG Haltestelle: Bus 104)

Kosten: 5.- €uro

Anmeldung: Rundgang@thf33-45.de

 

 

29.10.: 14 – 16 Uhr

Tempelhofer Feld: das Reichsluftfahrtministerium
Tourguide: Beate Winzer

ENTFÄLLT

 

November 2022:

12.11.: 14 – 16 Uhr

Archäologie der Zwangsarbeit (1939 – 1945) auf dem Tempelhofer Feld

Tourguide: Kathrin Misterek

Treffpunkt: Mahnmal für das KZ Columbia; Columbiadamm/Golßener Straße (BVG Haltestelle: Bus 104)

Kosten: 5.- €uro

Anmeldung: kathrin.misterek@thf33-45.de

 

26.11.: 14 – 16 Uhr

Konzentrationslager „Columbia“: Denkmal und historischer Ort

Tourguide: Eugen Troendlin

Treffpunkt: Mahnmal für das KZ Columbia; Columbiadamm/Golßener Straße (BVG Haltestelle: Bus 104)

Kosten: 5.- €uro

Anmeldung: Rundgang@thf33-45.de

Vor 70 Jahren

Kranzniederlegung anlässlich 70 Jahre Befreiung des Flughafens Tempelhof am 26. April 2015

Förderverein für ein Gedenken an die Naziverbrechen auf dem Tempelhofer Flugfeld e.V.

Vor 70 Jahren wurde der Flughafen Tempelhof von der Roten Armee befreit. Die Schlacht um Berlin dauerte vom 16. April bis zum 2. Mai 1945. Sie begann mit dem Kampf um die Seelower Höhen entlang der Oder, bei denen sich Wehrmacht, Waffen SS und Volkssturm verschanzt hatten. Am 21. April rückte die Rote Armee in Mahlsdorf/ Blankenfelde ein und eroberte im Häuserkampf Bezirk für Bezirk. In der Nacht zum 27.April erreichten die ukrainische und polnische Front den Flughafen Tempelhof. Im Flughafen fanden die Soldaten Tausende ZwangsarbeiterInnen vor, wie überall in Berlin. Bis zum Schluss hatten die Flugzeugfabriken im Flughafen Tempelhof gearbeitet. Bis die Kämpfe beendet waren, verloren Zehntausende Zivilisten, weit überwiegend ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangene, ihr Leben. Die verschleppten Menschen waren noch nicht in Sicherheit.

In den Morgenstunden des 2. Mai kapitulierte General Helmuth Weidling im Divisionsgefechtsstand General Tschuikows in einem Gebäude am Schulenburgring 2 in Berlin-Tempelhof. Über den Ruinen der Stadt wurde am 2. Mai auf dem Brandenburger Tor neben der sowjetischen auch die weiß-rote Flagge Polens gehisst. Am 7.Mai 1945 unterzeichneten Alfred Jodl in Reims und General Keitel in Berlin-Karlshorst am 8.Mai (9.Mai Moskauer Zeit) die bedingungslose Kapitulation. Nach sechs Jahren war damit der 2.Weltkrieg in Europa beendet.

70 Jahre danach laden wir sie ein zum Jahrestag der Befreiung des Flughafens

am 26.April 12 Uhr in der Alten Zollgarage im Flughafen Tempelhof

Anwesend ist Frau Renate Künast MdB, sie wird persönlich ein Grußwort sprechen.

Der Historiker Dmitri Stratievsky führt in den historischen Kontext ein. Der THF 33-45 hatte 2013 insgesamt vier Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus Polen und der Ukraine eingeladen. Wir lesen Auszüge aus den Berichten der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen vor, die im Flughafen befreit wurden, bzw. in den Lagern um den Flughafen.

Olena S. kommt aus der Ukraine, sie wurde mit dem ganzen Dorf nach Berlin-Tempelhof verschleppt. Maria K kam mit ihrer dienstverpflichteten Mutter in das Lager auf dem Flughafen Tempelhof. Leonard C. wurde nach dem Warschauer Aufstand mit seiner Familie nach Tempelhof deportiert. Die Familie arbeitete im Flughafen und war in Köpenick untergebracht.

Programm:

Begrüßung THF33-45 Verein

Grußwort Renate Künast MdB

Grußwort Gudrun Blankenburg (Mechthild Rawert MdB)

Vortrag Dmitri Stratievsky

Der Kampf um Berlin und die Befreiung von Tempelhof

Ausschnitte aus Zeitzeugenberichten:

Olena S.

Maria L.

Leonard C.

Musikalischer Rahmen: Isabel Neuenfeldt

Sprecherin: Renata Brckan

Kranzniederlegung an der Gedenktafel

Kabarett – Lesung und Chansons mit Klavier(begleitung)

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„Zur Columbia Diele“

Freitag, den 28. November 2014
Einlass 18.00 Uhr, Beginn 19.00 Uhr
Eintritt: 15€ , ermäßigt: 7 €
Wasserturm Kreuzberg,
Kopischstr. 7, 10965 Berlin,
U-Bahn Platz der Luftbrücke

Vor 80 Jahren wurde aus dem SS-GefängnisColumbiahaus das KZ Columbia. Die SA war entmachtet, ihre Gefängnisse und Lager geschlossen aber das KZ – System wurde unter Leitung von Himmlers SS neu strukturiert und ausgeweitet. Dazu gehörte, dass das KZ Columbia, nunmehr das einzige KZ in Berlin und (dem heutigen Brandenburg und damaligen Preußen) war. Im selben Jahr wurde die Verfolgung ausgeweitet nicht nur die politische Opposition von KPD bis Zentrum wurde verfolgt, sondern erstmals auch „Kriminelle“, die als „Sittlichkeitsverbrecher“ oder Berufs- und Gewohnheitsverbrecher deklariert wurden. In den Augen der Kriminalpolizei (und SS)waren es die „Sittlichkeitsverbrecher“, also schwule Männer und Transpersonen, die an der „Verweichlichung“ der Heimatfront und dem „Dolchstoß“ der Niederlage im ersten Weltkrieg mit „schuldig“ waren. Zugleich war das „Delikt Homosexualität“ eine beliebte Allzweckwaffe zur Gegnerbekämpfungsowie zur Disziplinierung und Überwachung der Gesellschaft.

Tempelhofer Erklärung 2014

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Der Flughafen Tempelhof (Gebäude und Flugfeld) hat seit seiner endgültigen Schließung als Flugplatz mancherlei Begehrlichkeiten geweckt und viele Planspiele für eine künftige Nutzung gezeitigt. Die Nutzung des riesigen Flugfeldes als große Grünfläche oder zumindest am Rand als Baugelände für den Wohnungsbau werden zur Zeit kontrovers diskutiert.

Ausgelassen wird dabei die NS – Geschichte dieses historischen Ortes: Der Flughafen ist zusammen mit dem Flugfeld eine Hinterlassenschaft der NS-Herrschaft, ein Ort von Opfern und Tätern des NS-Regime. Im Flughafen befand sich die „Flugzeugfabrik des Reichsluftministeriums“, die Weserflug GmbH sowie das zweitgrößte Reparatur- und Umbauwerk der Lufthansa AG im damaligen Deutschen Reich. Vor dem neuen Flughafen befand sich bis 1934 das SS-Gefängnis Columbiahaus und bis 1936 das KZ Columbia. Am Rande des Flugfeldes am Columbiadamm befand sich eine der größten Barackenstädte im deutschen Reich – Vom Hangar I des neuen Flughafens bis zum Garnisonsfriedhof und neben dem Alten Flughafen erstreckten sich zahlreiche kasernenartige Unterkünfte hinter Stacheldraht. Am S-Bahnhof Tempelhof befand sich die sog. kleine Barackenstadt der WeserFlug GmbH. Am geplanten neuen S-Bahnhof „Tempelhofer Freiheit“ befand sich ein weiteres Lager.
Im Flughafen hatten neben anderen Firmen und Institutionen Dienststellen des RLM und des luftmedizinischen Forschungsinstituts ihren Sitz. Die wenigsten Ärzte des luftmedizinischen Forschungsinstituts waren NSDAP- oder SS-Mitglied, aber ihre Arbeit diente der NS-Rüstungspolitik und der Entwicklung neuer Waffensysteme. Sie waren damit mitverantwortlich für den Tod von Kriegsgefangenen, Häftlingen sowie Zwangsarbeiterinnen und –arbeitern bei der Entwicklung und Produktion dieser Waffen. Diese Ärzte stellten sich den Alliierten zur Verfügung, die ihre Forschungen dankbar für sich in Anspruch nahmen. Sie arbeiteten – wie andere Forscher fu¨r die damalige SU – für die US-Amerikaner, die ihrerseits die Rolle dieser Ärzte im Nationalsozialismus ignorierten. In Zusammenarbeit mit dem Team Wernher von Brauns in den USA entstanden so das Apollo- und Saturn-Programm. Der Einsatz von Zwangsarbeitern in der Produktion von Sturzkampfbombern (Stukas), die Erprobungsstelle im Flughafen, die enge Verbindung der beiden bedeutendsten Reparatur- und Umbauwerften, Staaken und Tempelhof der LuftHansa sowie deren Präsenz im Flughafen sind noch weitgehend unbekannte Kapitel der NS-Geschichte des Flughafens. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter waren menschenverachtend und führten zum Tode von einer bislang noch unbekannten Anzahl von Menschen. Tempelhof wurde ab 1943 bombardiert, der Bezirk teilweise zerstört. Die ZwangsarbeiterInnen, die täglich von den Lagern in Tempelhof und Neukölln in die Flugzeugfabrik fuhren, waren den Bombardements schutzlos ausgeliefert. Viele wurden in den Kellern und Tunneln im Flughafengebäude eingesetzt, weil die Produktion verlagert worden war. Eine noch unbekannte Anzahl dagegen musste sich in den Splittergräben vor den Bomben schützen. Bei den Luftangriffen der Alliierten kamen überwiegend ZwangsarbeiterInenn ums Leben. Ihnen wurde der Zugang zu Schutzräumen hier wie andernorts verwehrt.

Diese Geschichte macht es unmöglich, diesen historischen Ort unkritisch unter Verharmlosung seiner Rolle während des Nationalsozialismus als Ort der Freiheit, des Vergnügens und der Toleranz zu feiern. Der Flughafen und das Gelände werden unter dem Begriff „Tempelhofer Freiheit“ vermarktet, der Masterplan des Senats von 2013 trägt den gleichlautenden Titel. Wir lehnen diesen Begriff ab, denn das Tempelhofer Feld war während der Herrschaft der Nationalsozialisten für zehntausende von Menschen ein Ort der Unfreiheit. Wir kritisieren dabei auch, dass der Masterplan die Dimension der NS-Geschichte außen vor zu lässt.

Wir fordern:

Der Nationalsozialismus, nicht Luftbrücke und Kalter Krieg, bestimmen maßgeblich das Flugfeld. Eine Forschungs-, Bildungs,- Begegnungs- und Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens ist daher längst überfällig. Sie ist am Nationalsozialismus zu orientieren, nicht an der Luftbrücke oder den Alliierten.
Es bedarf einer umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitung des Tempelhofer Flughafengeländes im Rahmen der Berlin-Brandenburgischen Erinnerungslandschaft.
Die Ausrichtung des Masterplans des Landes Berlin muss umgehend – unter Einbezug der oben genannten historischen Fakten – überarbeitet werden. Entsprechend forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen sind dabei einzubeziehen.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner

Annerose Allex, Arbeitskreis „Marginalisierte – gestern und heute!“

Prof. Dr. Gerhard Baader

Prof. Dr. Reinhard Bernbeck

Ina Bierstedt

Dr. Andreas Bräutigam, Mitglied im Vorstand Berliner Geschichtswerkstatt e.V.

Dr. Hans Coppi, Vorsitzender der Berliner “Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten” (VVN-BdA)

Agnes Detert

Dr. Christine Glauning

Nicole Groß

Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann

Hans-Jürgen Hermel, Memo Media Productions

Uwe Karsten Heye

Uwe Hübsch

Hedda Leonhard

Kamil Majchrzak, Journalist (polnische Ausgabe der Le Monde Diplomatique)

Prof. Dr. Günther Morsch

Prof. Dr. Andreas Nachama

Edith Pfeiffer

Prof. Dr. Susan Pollock

Eberhard Radczuweit

Jost Rebentisch, Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte e.V.

Arbeitskreis Jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten Berlin/Brandenburg

Eugen Troendlin

Christian-Alexander Wäldner

Beate Winzer, Förderverein zum Gedenken an Naziverbrechen um und auf dem Tempelhofer Flugfeld
e.V.

Unterschreibe diese Petition…..Tempelhofer Erklärung 2014